Lebensraum Wald
Wälder haben viel zu bieten. Für uns Menschen sind sie hauptsächlich Rohstofflieferant und damit von wirtschaftlichem Wert. Zudem stellen sie für unsere Freizeit eine bedeutende Erholungsfunktion bereit. Sie produzieren Sauerstoff, reinigen die Luft und wirken sich positiv auf das Klima aus. Durch die zunehmende Luftverschmutzung und den Klimawandel sind sie jedoch immer größer werdenden Belastungen ausgesetzt. Dies hat negative Auswirkungen auf unzählige Tier-, Pilz- und Pflanzenarten, die auf intakte Wald-Ökosysteme angewiesen sind. Umso wichtiger sind also der konsequente Schutz und die Förderung natürlicher Wälder sowie einheimischer Baumarten. Eine solche Baumart ist die Rotbuche. Ohne den Einfluss des Menschen wäre der größte Teil Deutschlands und auch des Vogelsbergs von Laubmischwäldern mit einem hohen Buchenanteil bedeckt. Die bis zu 30 Meter hoch werdende Rotbuche ist bestens an die vorherrschenden Boden- und Klimaverhältnisse in Mitteleuropa angepasst. Daher machen Buchenwälder auch im Förderraum des Naturschutzgroßprojekts Vogelsberg immer noch den größten Waldanteil (ca. 1.300 Hektar) aus.
Flächenanteile der Wald-Lebensraumtypen im Projektgebiet:
- Waldmeister-Buchenwald: 613 Flächen, 930,37 ha
- Hainsimsen-Buchenwald: 290 Flächen, 319,56 ha
- Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern: 799 Flächen, 226,10 ha
- Schlucht- und Hangschluchtwälder: 156 Flächen, 63,85 ha
- Eichen-Hainbuchenwald: 13 Flächen, 5,79 ha
- Birken-Moorwald: 3 Flächen, 0,68 ha
Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder
– wenn es der Buche zu nass wird…
Im Gebiet des Naturschutzgroßprojektes gibt es insgesamt noch etwa 230 Hektar des gefährdeten Lebensraumtyps Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder. Kennzeichnend für diese Wälder sind feuchte Standortverhältnisse sowie temporäre Überflutungen. Der Boden ist meist so nass, dass kaum eine andere Baumart gedeiht.
Dementsprechend ist der Lebensraum auch Heimat für andere Pflanzen- und Tierarten, die es gerne nass mögen. So bedeckt der weißblühende Märzenbrecher im Frühjahr an manchen Stellen des Vogelsbergs weite Teile des Waldbodens. Auch der Feuersalamander fühlt sich in den Erlen- und Eschenwäldern wohl.
Erlen kommen mit den feuchten Standortbedingungen besser zurecht, als die meisten anderen Baumarten. Sie haben Öffnungen in der Rinde und spezielle Kanäle im Holz, über die sie ihre Wurzeln mit Sauerstoff versorgen. Zusätzlich bilden sie an ihren Wurzeln eine Symbiose mit stickstofffixierenden Knöllchenbakterien. Diese binden den Stickstoff und stellen ihn dem Baum im Austausch gegen Zucker zur Verfügung. Dadurch ist die Luftzufuhr und Nährstoffversorgung der Erle gesichert.
Forstwirtschaft im Vogelsberg
Die Nutzung der Wälder hat eine lange Tradition. Der hohe Bedarf an Bau- und Brennholz im 18. Jahrhundert führte dazu, dass die natürlichen Wälder im Vogelsberg weitestgehend abgeholzt wurden. Die anhaltend hohe Nachfrage nach Holz hatte außerdem zur Folge, dass die Förster die schnellwüchsige Fichte in den Vogelsberg holten. Sie eignete sich sehr gut für die schnelle Aufforstung und wurde rasch zum „Brotbaum“ der Forstwirtschaft. Es entstanden großflächige Fichtenmonokulturen, was einige Probleme für die Wälder mit sich brachte.
Fichten sind Flachwurzler und daher anfällig für Windwurf. Die eng aneinander gepflanzten Bäume erleichtern es auch Schädlingen, wie zum Beispiel den Borkenkäfern, sich explosionsartig zu vermehren und so ganze Bestände innerhalb kürzester Zeit zu befallen. Dies stellt durch den voranschreitenden Klimawandel ein zunehmendes Problem für die Forstwirtschaft dar. Denn die Borkenkäfer profitieren enorm von den trockenen Sommern der letzten Jahre.
Prozessschutz oder „Natur Natur sein lassen“
Prozessschutz ist im Grunde ein Spiegelbild der natürlichen Vorgänge in der Wildnis, wo sich die Natur ganz ohne menschlichen Einfluss entfalten kann.
Seit 2016 kann sich auch im Projektgebiet des NGP Vogelsberg eine ca. 30 Hektar große Waldfläche wieder natürlich entwickeln. Sie wurde aus der forstlichen Nutzung genommen und 2018 in ihrem Ist-Zustand dokumentiert. Dafür wurden auf 5 Stichprobenflächen alle Bäume ab einer Höhe von 10 Metern, Tothölzer (sowohl liegende als auch stehende) sowie Horst- und Höhlenbäume mit dem GPS-Gerät eingemessen und der Gesamteindruck der Fläche auf Fotos festgehalten. So kann die Entwicklung des Bestandes genau beobachtet werden. Einzelne Bäume werden absterben, einige umfallen und junge Gehölze werden in die frei gewordenen Lücken drängen. Der ganz natürliche Kreislauf des Wachstums und Verfalls kann sich somit einstellen.
Tote Bäume spielen im Wald eine enorm wichtige Rolle. Sie bilden die Lebensgrundlage für eine Fülle von Tier- und Pflanzenarten.
Allen voran sind verschiedene Spechtarten zu nennen. Sie nutzen insbesondere stehendes Totholz, um sich zu ernähren und Wohnraum zu schaffen. Mit ihren kräftigen Schnäbeln zimmern sie Höhlen in die Stämme geschwächter Bäume. Diese Wohnhöhlen werden auch gerne von vielen anderen Waldbewohnern genutzt. Dazu zählen zum Beispiel weitere in Höhlen brütende Vogelarten, Fledermäuse, Bienen, Marder und Siebenschläfer. Liegendes Totholz ist hingegen für viele Insektenarten außerordentlich wichtig. Zu ihnen zählt die Familie der Bockkäfer. Ein großer Teil der Bockkäfer-Larven ernährt sich von totem Holz. Daher sind diese Holz bewohnenden Käfer ein wesentlicher Indikator für naturnahe Wälder.
Der Vogelsberg gilt aufgrund seiner ausgedehnten und zusammenhängenden Waldbestände bundesweit als eines der besten Brutgebiete für Vogelarten der bewaldeten Mittelgebirge wie den Schwarzstorch, den Grau- sowie Schwarzspecht, den Rotmilan und den Wespenbussard. Diese sind an die heimischen Wälder als Lebensraum angepasst und profitieren daher ebenfalls von einem Waldumbau.